Background Image
Previous Page  13 / 44 Next Page
Basic version Information
Show Menu
Previous Page 13 / 44 Next Page
Page Background

2016/2017 / November Dezember Januar /

www.miteinander-aktivesleben.de

miteinander

Aktives Leben im Alter gGmbH

T i t e l t h e m a

Wie ist ihm dies möglich?

RIEKE: Durch den Schatz an erlebten Erinnerun-

gen, in Verbindung mit Biografiearbeit! Die Per-

son, die hinter einer Lebensleistung steht, ist ein

Mensch mit der Summe all seiner episodischen

Erlebnisse – dies definiert seine Würde.

Ist im Alter dann nur noch ein Leben, welches

durch Erinnerungen an die Vergangenheit geprägt

ist, möglich?

RIEKE: Ich will es mal so ausdrücken: Würde ist

unteilbar. Würde im Alter ist aber etwas, was man

als Kind oder Jugendlicher noch nicht hat. Denn

diese Würde hat etwas mit sozialer Kompetenz zu

tun und mit einer erlangten Lebensleistung, auch

mit einer Erinnerung daran.

Erhält die Beschäftigung mit der Biografie eines

Gepflegten damit eine wichtige Bedeutung ?

RIEKE: Es ist die größte Herausforderung der

Menschen, die pflegerisch tätig sind. Eine Biogra-

fie hat Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Aus dieser Biografiearbeit leitet sich vieles ab: Der

Respekt der Person und wie ich als Pflegender

ihren Bedürfnissen gerecht werden kann. Um in

Würde weiterleben zu können – mit oder ohne

Störung des Gedächtnisses – benötigt man jeman-

den, der einem hilft, diese Würde aufrecht erhalten

zu können. Die Aufrechterhaltung der Würde ge-

lingt viel besser, wenn man den anderen in seinen

Begabungen, seinen Fähigkeiten wahrnimmt. Das

merkt das jeweilige Gegenüber.

Und das ist nun wichtig in der Pflege?

RIEKE: Stützt der Betreuende Erinnerungen,

kann der Gepflegte in diesen weiterleben.Wer dies

in der Pflege schafft, der wird viel glaubwürdiger

in seiner Pflegeleistung.

Gute Fragen an einen älte-

ren Menschen können viele Erinnerungen öffnen

.

Nehmen Pflegende diese Würde denn nicht

immer richtig wahr?

RIEKE: Man muss sich bei der Pflege immer für

das Gegenüber interessieren. Man sollte nicht

sagen, dass das Gegenüber es vielleicht nicht ver-

steht. Bei der Wahrnehmung des anderen ist Em-

pathie von der ersten bis zur letzten Minute

wichtig.

Empathie, Sie meinen das Einfühlungsvermögen?

RIEKE: Empathie hat etwas mit unserer persön-

lichen Situation zu tun, mit unserer eigenen Vita.

Empathie ist es auch, was uns begreifen lässt, was

die Würde des anderen ausmacht.

Befindet sich ein alter Mensch quasi in einer bio-

grafischen Phase der „Vorbereitung auf denTod“?

RIEKE: Das Alter ist das Erreichen eines Weges,

so, als erreiche man den Berggipfel. Es ist ein Ab-

schluss, das Ende des Baues eines Hauses. Alle

wünschen sich, alt zu werden. Aber dann erleben

viele dieses Altwerden als Krise.

Sollte man gerade im hohen Alter über das eigene

Leben und dessen Endlichkeit nachdenken?

RIEKE: Vieles ändert sich im Laufe des Lebens.

Als älterer Mensch hat man zudem andere Per-

spektiven als in jungen Jahren. Wertigkeiten än-

dern sich,Wünsche und Zielvorstellungen. Es gibt

die gute Formulierung: In Würde sterben wollen!

13