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2016/2017 / November Dezember Januar /

www.miteinander-aktivesleben.de

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R a t g e b e r R e c h t

E x t e r n e

Gefahr der Erblindung beim Unterbleiben des

Eingriffs. Und trotzdem gelang mir in diesem

Fall nicht, einen Sinneswandel herbeizuführen.

So musste ich hier die Zwangsbehandlung ge-

nehmigen. Der Eingriff verlief gut, bei der spä-

teren Operation am anderen Auge war die

Betroffene dann von sich aus einverstanden. Ich

hatte den Eindruck, dass nunmehr meine Bemü-

hungen bei der vorangegangenen Anhörung

doch noch Früchte getragen haben.

Geduld und Mühe notwendig

Beide Erlebnisse haben mich gelehrt, dass man

auch bei geistig schwer Behinderten mit Geduld

und Mühe bewirken kann, dass sie sich von sich

aus für eine notwendige Behandlung entscheiden

können. Wenn das nicht gelingt, darf man als

Richter keine Angst vor der Genehmigung der

Zwangsbehandlung haben, und auch nach einer

solchen schweren Entscheidung bleibt es mög-

lich, dass der Betroffene sich im weiteren Verlauf

doch noch für einen weiteren Eingriff entschei-

det.

Es ist eine wunderbare Erfahrung, wenn der Be-

troffene merkt, dass ungeachtet seiner geistigen

Behinderung, die er ja

durchaus auch selbst wahr-

nimmt, der Richter ihn res-

pektiert und ihm helfen will

– und dann sich selbst für

eine zunächst abgelehnte

Behandlung entscheidet

oder auch im Nachhinein

die Entscheidung für eine

Zwangsbehandlung anneh-

men kann.

Jürgen Seichter ist Betreuungsrichter

am Amtsgericht in Gießen.