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2015 / August September Oktober /

www.miteinander-aktivesleben.de

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Café in der Au

S e r v i c e

M O B I P f l e g e - u n d S o z i a l d i e n s t

und Hilflosigkeit bedeutet, nicht wahrhaben wol-

len.

Kranz:

Frust im Umgang mit dementiell Er-

krankten geht übrigens gar nicht.

Liebenow:

Oft wird gesagt: Du liebst mich nicht

mehr. Was natürlich so nicht stimmt. Die

Grundlagen für Liebe können durch den Kran-

ken einfach nicht mehr erneuert werden.

MITEINANDER: Gibt es einen konkreten

Tipp für den Umgang in einer solchen Situa-

tion?

Mallow:

Grundsätzlich sollte man sich klar ma-

chen: Es ist eine Krankheit. Daneben hat mir im

Umgang mit meiner Mutter folgendes geholfen:

Es hilft manchmal, wenn man sagt, dieser

Mensch ist wie mein Kind. Dabei ist ein Kind

manchmal ungezogen, es schreit, schlägt um sich.

Der Angehörige muss in einer solchen Situation

die Verantwortung für „dieses Kind“ übernehmen

– in meinem Fall die Verantwortung sowohl für

mich als auch für meine erkrankte Mutter. Dass

ich meine Mutter quasi verloren habe, als die

Krankheit weiter vorangeschritten ist, obwohl sie

körperlich noch anwesend war, hat mich natür-

lich sehr traurig gemacht, ganz klar. Aber auch

zu dieser Trauer über eine nicht mehr wiederzu-

bringende Vergangenheit muss man stehen.

Becker:

Ich finde dabei aber auch wichtig – und

dies ist ein guter Tipp für Angehörige −, dass die

wenig glückhaften Momente erhalten werden

sollten und man diese auch gemeinsam wert-

schätzt. Ich nenne diese Momente die „hellen

Momente“. Diese hellen, glückhaften Momente

sind entscheidend in unserer Tätigkeit und kön-

nen auch die Pflegenden aufbauen.

Mallow:

Bösartig werden die Kranken meist nur,

wenn man ihnen widerspricht. Man muss sie in

ihrem Glauben lassen, dann sind sie auch zu

„handhaben“. Das wäre mein Ratschlag.

MITEINANDER: Und wie gehen Sie im De-

menzcafé mit einer fehlenden Dankbarkeits-

Rückkopplung derjenigen um, um die Sie sich

alle ehrenamtlich kümmern?

Kranz:

Erst einmal freuen sich viele

Kranke, wenn sie uns im Demenz-

café besucht haben. Das merkt man

ihnen an – vielleicht nicht direkt,

aber indirekt durch Gesten, einen

Blick, ein Lächeln. Auch wenn eine

Demenz vorliegt, so kann man diese

Menschen immer noch fordern und

soll dies auch immer wieder tun. Na-

türlich in ihren jeweiligen Fähigkei-

ten. Gelingt uns dies, sind wir Helfer

glücklich.

Mallow:

Das ist dann unser Dank und unser

Lohn. Diese Freude in den Augen der Besucher

zu sehen.

Kranz:

In vielen Fällen fehlt diese Förderung zu

Hause; hier versuchen wir Abhilfe zu schaffen

und gleichzeitig für die Angehörigen Inspiration

zu geben. Falls uns dies gelingt, sind wir ebenfalls

froh.

Liebenow:

Ich rate jedem zu einem Mix aus

Maßnahmen, bei denen man weiß, dass diese

dem Kranken helfen.Weiß man, dass man richtig

handelt, kann man sich sicher sein, dass der Er-

krankte dankbar ist. Als mein Mann zu Hause

war, haben wir gemeinsam Spiele gespielt.

Gleichzeitig habe ich mich um eine regelmäßige

Ergotherapie gekümmert, um seine sensorischen

Fähigkeiten weiter aufrecht zu erhalten. Hinzu

kam eine wöchentliche Betreuung. All das führte

dazu, dass ich mir sicher war, das Richtige getan

zu haben.

MITEINANDER: Was würden Sie Menschen

grundsätzlich raten, die eine solche Erkrankung

in der Familie haben? Gibt es so etwas wie eine

richtige Vorgehensweise?

Mallow:

Man sollte sich bereits beim Auftreten

erster Symptome an Fachstellen wenden. So

Abb.: Gerhard Becker, Helmut Kranz und Carmen Scharmann